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Eine Haidame hängt am Haken – Schön und bissig

Heute sollte es endlich soweit sein. Seit Wochen schon studierte ich die verlockenden Werbetafeln  der Profiangler, die Angeltouren auf dem offenen Meer anbieten. Fast immer sind darauf Fische zu sehen, die Augen von der Größe einer Alufelge und Zähne wie Samurai-Schwerter  haben und die auch immer größer als der Angler selbst sind. Das kann es doch gar nicht geben! In der Geisterbahn auf dem Jahrmarkt war es doch auch immer so, dass die Bilder und die Geräusche am Kassenhäuschen ein perfektes Gruselerlebnis mit echten Monstern versprachen und die ganze Nummer am Ende eher ernüchternd und mehr zum Lachen war. Vor den Elternabenden in der Schule hatte ich deutlich intensivere Angst und Horrorgefühle, die in der Regel auch meist nachhaltig waren. Meinen Eltern ging es wohl scheinbar oft ähnlich 🙂

Probieren geht über studieren war das Motto und so hatte ich gestern 2 Tickets für den Angelausflug an der Ticketbude im Hafen gelöst. Das zweite Ticket war für meinen Kumpel und Strohwitwer Frank von dem Katamaran CAYLUNA, den ich mit etwas Überredungskunst für das Vorhaben gewinnen konnte. Pünktlich um 09:15 standen wir Abmarschbereit vor der Ticketbude mit einer Tagesverpflegung in Form von geschmierten Broten, Keksen und Wasserflaschen sowie mit einem Satz Kameras zur Dokumentation der Abenteuers im Gepäck. Da das Angelzeug inklusive Köder für den 6 Stunden dauernden Ausflug vom Veranstalter gestellt wurde, hatten wir jeder nur einen Rucksack zu tragen. Gruselig fand ich nur, dass die anderen 5 Angler zum Teil nur Sandalen an den Füßen hatten. Wenn die Fische nur halb so groß wie auf den Bildern sein sollten und in diese nackten Füße beißen würden, dann hätte der örtliche Zimmermann für die kommende Woche einige Holzbeine zu schnitzen. Ich hatte trotz der hohen Temperaturen auf beißfestes Schuhwerk gesetzt!

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Kurz hinter der Ausfahrt aus dem Kanal zur Marina legten die beiden Angelscouts die Gashebel des ca. 12 Meter langen Angelbootes auf den Tisch. Mit Vollgas und 18 Knoten Speed ging es dann auf das offene Meer hinaus. Nach 40 Minuten stoppte der Skipper den Kahn auf und es wurde schlagartig ruhig, nachdem die beiden Diesel abgestellt waren. Die nächste Herausforderung für Menschen mit empfindlichen Mägen ließ aber nicht lange auf sich warten.

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Wir starrten auf einen großen schwarzen Bottich der bis zur Hälfte mit Fischen gefüllt war. Einer der Scouts begann mit einer langen Eisenstange an deren unterem Ende ein Mahlwerkzeug angeschweißt war, die Fische Stück für Stück zu einer rot-braunen Pampe zu verarbeiten. Die Farbe, die Geräusche und der Geruch hat selbst mir fast den Magen umgedreht. Bähh wie ekelig! Dann wurde mit einer Kelle eine ordentliche Ladung davon in einen ausrangierten Kartoffelsack gefüllt und mit einer Leine über Bord gehängt. In der Strömung hat man gesehen, wie sich hunderte von kleinen Brocken daraus lösten und dann vom Boot weggetrieben sind. Der Scout meinte nur mit einem Augenzwinkern, dass es jetzt genau die richtige Zeit für Bad im Meer sein würde 🙂 Die Geruchsspur kam einer offiziellen Einladung zum Buffet für die Haie im Umkreis von 3 Km gleich.

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Derweil hatte sich der anderen Scout schon drei der insgesamt sechs Ruten gegriffen und für die Jagd auf das Schuppengetier vorbereitet. Vom Prinzip her war das eine relativ einfache Sache. An der Schnur mit einer Tragkraft von gut 60 KG wurde ein Haken mit einer Schenkellänge von 10 cm und einer Breite von 4 cm befestigt. Zwischen Schnur und Haken befand sich ein Stahlvorfach von ca. 1,5mm Durchmesser, damit der Hai mit seinen Rasiermesser scharfen Zähnchen die Schnur nicht durchbeißen kann. Auf den Haken wurden 2 mittelgroße Tintenfische als Köder aufgezogen, die den Haken komplett verdeckt haben. In gut 5 Meter Entfernung vom Haken wurde ein Luftballon von 25cm Durchmesser als eine Art Schwimmer an die Leine geknotet und das ganze Kunstwerk trieb dann mit der Strömung vom Boot weg.  Nach einer 3/4 Stunde waren alle Angeln bestückt und die Köder im Wasser. Es sah schon lustig aus, wenn man die sechs Luftballons im Wasser treiben sah. Wie beim Karpfenangeln am See nur eben alles ein paar Nummern größer.

Wir hatten abgemacht, dass der Reihe nach jeder die Angel einholen sollte, an der ein Fisch angebissen hatte. Somit sollte jeder einmal zum Zug kommen und einen Fisch an der Angel spüren. Einer für alle – alle für einen. Das war eine ganz neue Erfahrung für mich, da es beim Angeln doch auch immer um den größten Fisch geht 🙂

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Es herrschte eine gespannte Ruhe an Bord, weil doch niemand von uns wusste, was jetzt passieren würde. Das laute Schnarren der Bremse aus der Rolle von  Rute 1 durchbrach dann die Stille, als der rote Ballon am anderen Ende der Angel plötzlich auf Reisen ging. Die junge Holländerin mit der Losnummer 1 nahm die Sache dann in die Hand. Die Rute wurde an den Gurt eingehakt, den sie sich kurz zuvor um die üppige Taille geschnallt hatte und die Leine wurde Zug um Zug eingeholt. Alle Augen waren in die Tiefe des Atlantiks gerichtet, wo der Fisch irgendwann ja auftauchen musste. Nach gut 5 Minuten sahen wir erst einen silbernen Schatten und dann war der Hai auch schon an der Bordwand zu sehen.

Die Begeisterung war schon sehr groß als das schöne Tier über den Freibord an Deck gehoben wurde und in seiner ganzen Pracht an Deck lag. Die Scouts ließen uns wissen, dass es sich um ein Mädchen mit einer Länge von gut einem Meter handelte. Der Haken wurde mit Hilfe einer Zange vorsichtig entfernt. Das schien Ihr zwar gar nicht zu gefallen, aber schon bald war der Stress für sie vorüber. Wirklich beeindruckend waren die messerscharfen Zahnreihen. Wenn der Hai die Lippen über den Beisserchen zurückzieht, hat man einen grandiosen Blick auf die gesamte Zahnreihe. Mein Zahnarzt hätte sicherlich vor Begeisterung einen Luftsprung gemacht! Bei uns allen machte sich aber auch ein mulmiges Gefühl bei dem Gedanken breit, was so ein Gebiss alles mit einer Hand anrichten könnte. Das ist schon ziemlich gruselig. Nach dem Siegerfoto durfte Fräulein Hai sichtlich verstimmt wieder zu Ihren Familie zurück schwimmen. Hai Nummer 2 ließ nicht lange auf sich warten. Schon wieder ging der rote Ballon auf Tour und ein älterer Engländer drillte den Kameraden in gekonnter Manier an die Oberfläche. Der Bursche war schon eine Nummer größer. Stolze 1,30m hatte der Hai an Länge und wog gute 15 Kilogramm. Das Problem war, dass der Haken schon sehr tief im Schlund steckte und mit der Zange nicht mehr zu erreichen war. Ein schonendes Lösen ohne den Fisch zu verletzen war so nicht möglich. Die Lösung: das Stahlvorfach wurde einfach abgeknipst. Das es sich um sogenannte Schonhaken aus Stahl handelt, werden diese nach zwei Monaten vom Seewasser zersetzt und entfernen sich somit also von selber. Macht dem Hai nichts aus, da er ganz normal weiterfressen kann. Hoffentlich erinnert er sich nicht an uns wenn wir ihn in ein paar Jahren einmal wieder treffen 🙂

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Die Nummer 3 war für mich bestimmt. Nach einem kurzen Drill durfte ich meine Schätzchen dann auch im Arm halten. Die 1 Meter lange Dame bekam noch ein Abschiedskuss auf die Nase, bevor ich sie wieder vorsichtig in Ihr Element zurückgesetzt habe. Der Hai wird übrigens mit einem Trick für kurze Zeit ruhig gestellt. Mann muss nur kräftig die Nase der Hais reiben. Kein Witz! Dort laufen alle Sinnesorgane zusammen und man verwirrt das Tier, wenn die empfindliche Nase überreizt wird. Die meisten Männer an Bord konnten sich ein Schmunzeln nicht verkneifen…..

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Doch kurz vor dem Ende der Tour war die Sensation perfekt. Ausgerechnet die englische junge Lady mit Ärmchen wie “Mikado-Stäbchen” durfte den Fang des Tages an Bord holen. Je größer der Hai, umso tiefer taucht er ab. Und dieser Hai ging sehr tief nach unten. Aber keine Chance und nach 20 Minuten wurde sogar die Heckklappe geöffnet, um das Tier an Bord zu holen.

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Was für ein wunderschönes Exemplar mit einem blau schimmernden Schuppenkleid. Länge 1,84m und mit einem Gewicht von ca. 30 Kg. Natürlich handelte es sich um eine Dame. Die Zähne waren mächtig und auch nicht ganz ungefährlich. Die Scouts hatten alle Hände voll zu tun und haben auch dicke Handschuhe getragen. Die Nase wurde sehr ausgiebig gerieben und der Haken konnte dann mit respektvollem Abstand zu den Zahnreihen relativ einfach entfernt werden.

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Da es sich um einen Gemeinschaftsfang handelte durfte auch jeder ein Bild mit dem Hai zusammen machen. Dieses besondere Exemplar wurde dann noch für die Datenbank mit einer Markierung versehen und registriert.  Die Dame war sichtlich “angepisst”, weil sie drei mal für ein Foto in die Höhe gehoben wurde. Sie schwimmt aber wieder. So einen Fisch möchte ich auf gar keinen Fall an meiner Angel haben, wenn Katja und ich allein unterwegs sind 🙂

Nach insgesamt 12 Haien in 4 Stunden fuhren wir dann nach Lagos zurück. Allen hat der Ausflug viel Spaß gemacht und wir haben viel gelernt. Besonders schön fanden wir, dass die Scouts so schonend und respektvoll mit den Tieren umgegangen sind. Damit sie auch morgen noch kraftvoll zubeißen können 🙂

 

4 thoughts on “Eine Haidame hängt am Haken – Schön und bissig

  • Joachim

    Ganz ehrlich. …warum fängt man diese schönen Fische und fügt ihnen Schmerzen und Stress zu?? Die Haie hatten bestimmt keinen Spaß dabei. Wurde uns nicht mal folgender Spruch beigebracht: “Quäle nie ein Tier zum Scherz denn es fühlt wie du den Schmerz”. Angeln ist gut, wenn man den Fisch auch essen will, ansonsten finde ich das eher fragwürdig.

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    • Dietmar Henke

      Hallo Joachim,
      Deine Kritik ist berechtigt. Ich war bis Ende 2013 viele Jahre aktives Mitglied in einem Angelverein und darf versichern, das wir 75% der gefangenen Tiere auch gegessen haben. Der Rest war kein Speisefisch oder schlicht noch im Schonmaß. Tieren unnötig Schmerzen zufügen geht gar nicht! Diese Veranstaltung war als Angeltour auf große Fische ausgeschrieben und nicht als “fangen-angucken und wieder zurücksetzen”. Daran war nicht zu denken weil in meinen Augen “sinnbefreit”. Ich hatte das Gefühl, dass ging fast allen ähnlich. Unsere Absicht war, sich noch Tipps von Angelprofis für die Meeresfischerei abzugucken. Leider hat die anschließende Schleppfischerei auf Thunfisch an dem Tag keinen Erfolg gebracht aber in Sachen Lernerfolg einiges gebracht. Einen Vorteil hatte die Haiangelei aber doch noch. Die Fische wurden schonend behandelt (natürlich auch etwas gestresst- aber nicht annähernd Lebensbedrohlich), alle haben gelernt, dass Haie keine bösen Monster sind und einige Menschen in diesem armen Landesteil haben ein Auskommen. Ich glaube außerdem kaum, dass irgendjemand von uns diese Tour noch ein zweites mal buchen würde. Wenn schon Angeln, dann auch bitte richtig!

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      • Gute Antwort. Ich war auch nur so berührt, weil ihr meine Lieblingsfische am Haken hattet. Wenn wir uns aber darüber einig sind, dass catch und release keine Option sind, dann ist auch alles gut

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  • Hallo Dietmar, viele. Dank für den tollen kurzweiligen und amüsanten Artikel. Halt uns weiter auf dem Laufenden. Wir werden heute nach lissabon aufbrechen, um dann in ca. 10 Tagen nach Madeira zu gehen, letzters natürlich vorbehaltlich günstigen Winden 😉 Wie ist Eure Zeitplanung?

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